Anfang Februar dieses Jahres hat das Pflege- und Betreuungsheim Haus Bernhard im ehemaligen Oberkircher Krankenhaus seine Pforten geöffnet. Während der Betreiber, das Ortenau Klinikum, und das Landratsamt den Umbau für einen Zugewinn für das Renchtal hielten, bereiteten die Umbaupläne anderen Pflegeheimleitern bei ihrem Bekanntwerden vor fast auf den Tag genau vier Jahren Sorgen (wir berichteten).
Pflegeheim im ehemaligen Oberkircher Krankenhaus eingerichtet
So hielt etwa die damalige Geschäftsführerin der Wohnen und Pflege gGmbH Oberkirch, Kristiane Schmalfeldt, ein weiteres Pflegeheim in Oberkirch nicht für notwendig. Die Befürchtung war, dass es einen Verdrängungswettbewerb geben könnte, insbesondere was die Mitarbeiter betrifft. Ihre Kollegen im Renchtal teilten damals weitestgehend diese Bedenken.
Mitarbeitermangel begrenzte Angebot in Bad Peterstal
Nun hat sich die Acher-Rench-Zeitung noch einmal in den Pflegeheimen umgehört. So sieht Steffen Nork, Leiter des Heims Das Bad Peterstal, die Sorgen als bestätigt. „Natürlich werden die wenig vorhandenen Pflegekräfte auf noch mehr Heime aufgeteilt. Das ist schlecht.“ Von 78 Einzelzimmern sind aktuell im „Bad Peterstal“ 74 belegt. Die Anzahl an Pflegebetten habe er aufgrund von Mitarbeitermangel über lange Zeit hinweg reduzieren müssen.
Deshalb greife er neben der Rekrutierung über die sozialen Medien, Printwerbung und Ausbildungen, auch auf Auslandsrekrutierungen zurück. Versorgt würden die Bewohner von 53 Kräften in Voll- und Teilzeit. Auf der positiven Seite stehe, dass noch keiner seiner Mitarbeiter ins Haus Bernhard abgewandert sei. Meist würde sich das Personal eher gänzlich neu orientieren. Aktuell sei er häufig auf Leiharbeiter angewiesen.
Landratsamt: Teilweise gibt es Wartelisten für einen Pflegeplatz
Auf Nachfrage teilte das Landratsamt Ortenaukreis mit, dass es in der Ortenau ein qualitativ gutes und wohnortnahes Pflegeangebot gebe, auch in kleineren Einrichtungen. Das gesamte Renchtal sei durch zahlreiche Pflegeheime in den Nachbargemeinden aktuell gut versorgt. Dennoch stünden stationäre Pflegebetten nicht leer und es gebe in Teilen auch Wartelisten.
Was die Pflegekräftesituation betrifft, so hieß es: „Seit dem 1. September 2022 werden nur noch Pflegeeinrichtungen zugelassen, die ihre Beschäftigten nach Tarif bezahlen. Seit dem 1. Juli 2023 gilt zudem ein veränderter Personalschlüssel aufgrund der Einführung des Personalbemessungsverfahrens in vollstationären Pflegeeinrichtungen.“ Dies könne unter anderem den Personalmangel erklären.
Azubis aus Drittländern sollen Personalmangel beheben
Im Vincentiushaus in Oppenau sieht die aktuelle Situation etwas optimistischer aus, wie Heimleiter Fabian Wild berichtet. Von den 81 Dauerpflege- und den zwei Kurzzeitpflegeplätzen seien derzeit alle belegt. „Auch haben wir einen sehr treuen und sehr guten Mitarbeiterstamm, worauf wir sehr stolz sind. Wir können daher alle Betten belegen und eine qualitativ hochwertige Pflege und Betreuung anbieten“, erklärt Wild. Trotzdem würden Urlaube und Krankheitsfälle auch das Vincentiushaus vor Herausforderungen stellen.
Oppenauer Heimleiter sieht Neueröffnung gelassen
Die Eröffnung des Haus Bernhard sieht er weniger kritisch. „Die zusätzlichen Pflegebetten helfen, die Nachfrage in der Region bedienen zu können.“ Um dennoch dafür zu sorgen, dass es Nachwuchs in der Branche gibt, gebe es im Vincentiushaus Ausbildungsplätze. Dabei würden auch junge Menschen aus Drittländern angeworben. „Dies stellt unsere Einrichtung bei Themen wie Unterkunft und Integration wieder vor neue Herausforderungen“, erzählt Wild.
Was die weitere Entwicklung der Pflegesituation in der Region betrifft, so prognostiziert das Landratsamt aufgrund des demografischen Wandels einen weiteren Anstieg des Bedarfs an stationären Pflegeplätzen. Auch, wenn ambulante Pflegeplätze gefragt seien. „Ziel ist dabei eine flächendeckende wohnortnahe Versorgung. Der Fachkräftemangel in der Pflege und deutlich gestiegene Bau- und Finanzierungsrisiken wirken diesem Ziel entgegen.“
Sechs ehemalige Krankenhausmitarbeiter übernommen
Kai Hockenjos, Sprecher des Landratsamts, hatte vor der Eröffnung des Haus Bernhards argumentiert, dass nicht nur Mitarbeiter über den freien Markt gewonnen werden sollen, sondern auch ehemalige Mitarbeiter des Krankenhauses übernommen würden. Auf unsere Anfrage teilte Bianca Alilovic, Direktionsassistentin des Pflege- und Betreuungsheims Ortenau Klinikum mit, dass derzeit 28 Pflegekräfte, zwei Auszubildende und vier Betreuer im Haus Bernhard beschäftigt sind. Sechs Mitarbeiter seien vom ehemaligen Krankenhaus übernommen worden. Die 42 Einzelzimmer seien derzeit voll belegt.
Oberkircher Heimleiterin: Kein Verdrängungswettbewerb
In den Pflegeeinrichtungen St. Barbara und St. Josef gab es einen Geschäftsführerwechsel. Yvonne Schumacher-Roß leitet nun die beiden Seniorenhäuser. Dort hat sich die neue Konkurrenz vor Ort zwischenzeitlich bemerkbar gemacht: „Am Anfang hatten wir Schwierigkeiten, frei werdende Betten nahtlos zu belegen.“ Nach der Vollbelegung von St. Bernhard habe sich die Situation aber entspannt, mittlerweile sind auch die 60 Betten in St. Barbara und die 79 Zimmer im umgebauten St. Josef nahezu ausgebucht.
Auf die Mitarbeitersituation habe sich das dritte Oberkircher Pflegeheim nicht ausgewirkt, auch wenn die Wohnen und Pflege gGmbH, die St. Josef und St. Barbara mit 180 bis 190 Mitarbeitern betreibt, weiter nach Fachkräften sucht. Schumacher-Roß stellt deshalb fest: „Es hat keinen Verdrängungswettbewerb gegeben.“
Hintergrundinfo
Prognosen des Landratsamt: Zahl der Pflegebedürftigen steigt
Für den Ortenaukreis geht das Landratsamt bis 2030 von einem Bedarf von weiteren 750 stationären Dauerpflegeplätzen aus. Unter der Annahme eines gleichbleibenden Pflegerisikos werde die Zahl der Pflegebedürftigen im Ortenaukreis demografisch bedingt von 20.882 im Jahr 2021 auf voraussichtlich 23.069 im Jahr 2030 steigen. Die höchsten Zuwächse mit rund 46 Prozent seien hier in der Altersgruppe der Hochaltrigen über 90-Jährigen (2021: 3465 Pflegebedürftige, Prognose 2030: 5070 Pflegebedürftige) zu erwarten. Hiermit werde auch der Bedarf nach Beratung im Vor- und Umfeld der Pflege steigen.
Dagegen komme es bei der Altersgruppe der 80-Jährigen bis unter 85-Jährigen im Vergleich zwischen 2021 und 2030 zu einem Rückgang. Nach Auskunft des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg ist dieser Rückgang demografisch bedingt und findet seine Erklärung in den Jahrgängen zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs (Geburtenknick und hohe Säuglingssterblichkeit).